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Am Rande des Schattens - Auftakt zu The Silver Swan

Wenn Sie am Rande des Schattens stehen, sind Sie halb verborgen. Unter einem Baum oder hinter einem Felsen. Je nach Tageszeit schauen Sie in die Sonne. Sie werden Licht und Dunkelheit sehen, Farben und Konturen – unversehens sind Sie in einer anderen Dimension. Das Gefühl, zwischen verschiedenen Welten zu sein, ist faszinierend. Wir befinden uns um das Jahr 1600 in London, am Hofe der englischen Königin Elisabeth I. Gleichzeitig sind wir aber auch im Jahr 2023 in Bremen. Königin Elisabeth hörte die Musik von Lyra-Violen, die der Gambe ähnlich sind, mit einem lieblichen, lange nachhallenden Klang. Wir hören heute jene Töne wieder, wie ein Echo aus der Vergangenheit. Die Musik ist hell und voll, als ob ein ganzes Ensemble spielen würde und als ob die beiden Stimmen sich in ihrer Resonanz verbinden würden. The Silver Swan entsteht als Konzertreihe mit Musik für Lyra-Violen, und lädt Sie in historische Säle Bremens ein.

Alfonso's Lyra

Seit 2011 bewundere ich eine komplett neue Welt: die der englischen Lyra-Viol. Das Instrument ist von einer Gambe oft kaum zu unterscheiden, jedoch ist es in manchen Fällen mit einem zusätzlichen Satz an Saiten versehen. Diese Saiten verlaufen in einem Tunnel, der unter dem Griffbrett im Hals liegt, und werden auf einem zusätzlichen Steg unter dem Saitenhalter befestigt. Sie sind aus Messing und erweitern die Resonanz der sechs Spielsaiten. Das Repertoire ist in Tabulatur aufgeschrieben, oft akkordisch und polyphon. Es sind zahlreiche Stimmungen bekannt, die verschiedene Namen tragen, wie Leero-Way oder High-Harp-Way flat. Die Erfindung dieser Art von Gambe geht zurück in die Elisabethanische Zeit. Alfonso Ferrabosco war einer der ersten Lyraspieler. Seine Sammlung von Lessons zählen zu den kompliziertesten und zugleich elegantesten Stücken, die für Lyra je geschrieben worden sind. Sie erfordern sowohl künstlerische als auch technische Meisterschaft. Nach einer langen Reihe von Versuchen spiele ich nun zwei außerordentlich schöne und feine Instrumente, gebaut von Neil Hansford. Sie inspirierten mich zu meinem Auftrag für ein drittes, größeres Instrument, das im Laufe 2023/24 von Bram Peters gebaut wird.

155 Tänze aus dem Jahr 1555

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Die Musik des 16. Jahrhunderts fasziniert und weckt Interesse. Im Jahre 1555 erscheint erstmalig "Teutsche" Tanzmusik im Druck. Die Herausgeber Bartholomäus und Paul Hess, geboren in der damaligen Steiermark, wirkten als Stadtpfeifer in verschiedenen europäischen Zentren und verbreiteten mit ihrer Sammlung Ensemblemusik des deutsch-polnischen Sprachraums. Das von ihnen gesammelte Repertoire ist heute weitgehend unbekannt, da kein Exemplar des Diskantstimmbuchs erhalten ist. Ziel des Projekts ist die vollständige Rekonstruktion sowie eine zeitgemäße Erstausgabe der gesamten Sammlung, die unter https://phaidra.kug.ac.at/o:132844 veröffentlicht wurde.

Geigenconsort

2020 war das Jahr, in dem Wege neue Richtungen nahmen. Mit hervorragenden Kolleginnen entstand eine Besetzung für meine Consortgeigen. Nachdem vier Instrumente vorhanden waren (das fünfte, die große Bassgeige, damals noch nicht mal in Auftrag gegeben), begannen wir, Repertoire durchzuspielen und auf diese Weise ein Ensemble mit zusammengehörenden Geigen aufzubauen. Unsere Ergebnisse finden Sie unter www.geigenconsortbremen.com. Seit 2019 reisen die Instrumente jeden Sommer nach Ungarn, wo sie gemeinsam mit ihren Geschwistern (fast alle historische Geigen und Bratschen von Ferenc Gáll) und mit mir als Dozent für Gambe, Improvisation und Kammermusik, einen Kurs begleiten. Für interessierte junge Musiker bieten wir die Möglichkeit, ein historisch gebautes Instrument in der Hand zu halten.

Cantus Modalis und underground-singen

Sie stand mittig, umkreist von Menschen. Das Licht glitzerte an ihrem weißen Haar. Sie wedelte mit ihrer Hand und sang tiefe und hohe Töne. Wo bin ich gelandet?!? Das dachte ich, als ich Rebecca Stewart zum ersten Mal traf. Sie leitete einen Kurs in Halle an der Saale. Das Thema war Josquin Desprez. Mein Schreck schwand schnell nach der genannten Einsing-Übung, das Treffen mit dieser Gesangstradition jedoch war prägend für mich. Die Bewegung Cantus Modalis veränderte meinen Blick auf die Musik und das Musizieren. Von da an organisierte ich jahrelang Treffen mit Studenten und Interessierten, bei denen wir aus Originalnotation sangen. Die Musik entfaltete sich in einer völlig neuen Weise, das Musizieren miteinander funktionierte sofort anders: nämlich so, wie wir uns gegenseitig hörten. Intensiv ist es, die Musik aus weißer Mensuralnotation zu entziffern, aber noch Intensiver ist das Erlebnis, wie die Stimmen ineinander greifen. Wenn eine Phase kommt, wo ich dieser Praxis mehr Zeit und Energie widmen kann, möchte ich jeden einladen, zu hören, zu staunen und mitzusingen.

Der Kapitän, Tobias Hume

Seit meinem vierzehnten Lebensjahr spiele ich die Musik von Tobias Hume. Sein Stil war für mich immer faszinierend, sehr persönlich und menschlich. Er schrieb, was er konnte, und stand auch dazu. Diese Haltung wurde mir vorbildlich, denn der Mut, eine Aussage zu treffen, einen eigenen Akkord zu denken, zu schreiben oder zu improvisieren ist unentbehrlich für meine Art des Musikmachens. Zu Ostern 2022 entstand meine Bearbeitung von George Kirbys Lamentation, die die einfache Choralmelodie mit lautenähnlicher Begleitung versieht.